02. Mrz

2012

Lesetipps

Zuletzt aktualisiert am 26. Juni 2019

Lesetipps © B&N Tourismus

Die Region der Levante bzw. des Maschreq, der im wesentlichen die Kernstaaten Jordanien, Libanon und Syrien umfasst, in historischen Reiseberichten des 19. Jahrhunderts.

Briefe aus dem Libanon

Ida Gräfin von Hahn-Hahn’s (1805 – 1880) zahlreiche Reisen führten sie nach Frankreich, Italien und 1843 – 1844 in den Orient. Ihre Reisebriefe an Familie und Freundinnen – in denen sie ihre Erlebnisse schilderte – und nach einem Vorabdruck in den Zeitungen als Orientalische Briefe 1844 veröffentlichte avancierten zum Bestseller.

Beirut, Sonntag, Oktober 8, 1843. An meine Mutter. (…) Ich habe absichtlich in meinem vorgestrigen Brief nichts vom ersten Eindruck gesagt den Beirut macht; ich wollte mich noch ein wenig mehr in diese Natur hineinfinden. Indessen wie mir das geht: der erste Eindruck ist unvermeidlich; und ich denke es war mehr als die Magie des Namens und der Stätte die mich entzückte, als ich in der Frühe des fünften aufs Verdeck kam. Die lichte Färbung des frühen Morgens, ein mit Silber durchwebtes Blau, hing von den mächtigen Wänden des Libanon herab, und lag weit und breit über dem Meer, und nur die höchsten Punkte des Gebirges trugen bereits die Goldkronen, die ihnen die Morgensonne darbrachte. (…) Nach und nach, bis das Geschäft der Ausschiffung zu Stande kam, stieg die Sonne höher, kam über das Gebirg und beleuchtete nun von oben die ganze großartige Landschaft. Da glänzte rotgolden der majestätische Libanon als lächle er dem Meer entgegen. Da hüpften Millionen von Goldflittern auf dem Meer, und die Wellen rieselten rasch und leise, als nickten sie ihm einen Morgengruß zu. Da war das Grün der Gärten wie in Smaragd verwandelt, und auch die Türme und Terrassen der Stadt bekamen ihren Teil vom himmlischen Licht: eine goldige Zinne. (…) Die liebenswürdige Frau des preußischen General-Konsuls begrüßte mich einige Stunden nach meiner Ankunft und lud uns ein bei ihr zu speisen. Da sah ich gleich am ersten Tage auf dem schönsten Aussichtspunkt von Beirut den Sonnenuntergang: nämlich in ihrem Liwán. (…) Man sitzt im Liwán bei Tage, auf der Terrasse, d. h. auf dem flachen Dach, am Abend und betrachtet Meer und Gebirg im Sonnen- und Mondenschein, und dazwischen macht man, wenn es nicht allzu heiß ist, einen Spazierritt nach dem Palmenwäldchen, und erfreut sich an den köstlichen Bäumen und an dem Duft den die Akazie, die echte nämlich, fast betäubend ausströmt. Dies Wäldchen ist der Stolz von Beirut. Palmen bilden seine Krone, aber unter ihren hohen Stämmen gedeihen vortrefflich große Maulbeerpflanzungen, die man mit der höchsten Sorgsamkeit pflegt, weil die Zucht der Seidenraupe eifrig betrieben wird. Daher ist jener Baum der herrschende des Landes, untermischt mit Johannisbrot- und Feigenbäumen, mit Palmen und Pinien. Diese letzteren heben ihre schönen, stillen, festen Kronen hoch in die Lüfte empor, und die ersteren bilden dazu das Unterholz, so daß die Bebaumung einen prächtigen, füllreichen Charakter hat. Das hindert aber nicht daß man unmittelbar vor den Toren in fußhohem Sand versinkt, der das Gehen höchst beschwerlich und unerfreulich macht, umsomehr da man, so wie man das Meer verläßt, augenblicklich zwischen haushohe Kaktushecken gerät, welche die Gärten umhegen. (…) Es ist alles leicht hier! Wenn man ausgeht braucht man keinen Mantel für die Heimkehr am Abend mitzuschleppen; wenn man nicht im Sand gehen mag, besteigt man ein friedliches und flinkes Eselein und reitet zum Diner. Ich habe eine wunderschöne Zeit getroffen: die des Vollmonds. Er ist so hell, daß er den Gegenständen ihre Farbe, und sie nicht schwarz erscheinen läßt; die weiche warme Luft dazu – und die Nacht ist wirklich wie ein Tag ohne Sonne. Als ich am ersten Abend vom General-Konsul zwischen zehn und elf Uhr nach der Stadt zurückritt, hatte ich nach europäischer Weise eine Mantille umgenommen; allein ich nahm sie ab, und habe mich später nicht mehr mit ihr befrachtet. Einen Augenblick gibt es, und zwar den, wo die Sonne im Untergehen begriffen ist, da wird es, vergleichsweise, kühl und da soll die Luft schädlich sein, so daß man den Kopf bedecken muß. Am späteren Abend tritt jedoch wieder die warme Temperatur ein, und im Sommer soll der Unterschied zwischen der Wärme des Tages und der Nacht nicht mehr als einen, höchstens anderthalb Grad Réaumur betragen. Es scheint mir also unmöglich sich zu erkälten. (…) Die Stadt – ja, die ist nun freilich sehr wenig anmutig und hat außer ihrem vortrefflichen Pflaster, das aus breiten, flachen Steinen besteht, nichts Empfehlenswertes. Der erste Einzug in dieselbe ist tumultuarisch genug. Das Boot kann des Sandes wegen nicht landen. So wie eines vom Dampfschiff kommt und sich dem Ufer naht, stürzt sich eine Schar halbnackter Araber ihm entgegen, ins Wasser hinein, ergreift die Koffer, schleppt sie an Land, erfaßt die Reisenden, nimmt sie auf die Arme, und trägt sie nicht sehr bequem und sehr sanft, aber ganz sicher durch die Wellen. Dann gibt es den in allen Ländern der Welt gebräuchlichen Zank über den Transport der Sachen, und endlich geht es zu Batistas Locanda durch die wunderlichsten Straßen, die mir bisher vorgekommen sind, denn sie gleichen mehr Kellergewölben und unterirdischen Gängen, als einer Stadt – so schmal und dunkel sind sie selbst da, wo sie nicht von einem Hause zum andern überwölbt sind. Zuerst glaubte ich alle diese Tore bereiteten den Weg in die eigentliche Stadt; aber nein! So ist ihre Anlage, zum Schutz gegen die Sonne gemacht. Die Häuser sind ebenso wunderlich, bestehen aus viereckigen, oben flachen Türmen, von ungleicher Höhe und Dicke, die man durch Treppen, Brücken und Terrassen verbindet. (…) Wie aus einem Felsen gehauen und mit Felsenwegen durchschnitten ist ganz Beirut. Am Abend geht es lustig darin her! Man befindet sich noch immer im Ramadan, da ist der Tag still und langweilig und man sucht ihn zu verschlafen um weniger durch die strengen Fasten zu leiden. Mit Sonnenuntergang, sobald der Muezin das Abendgebet vom Minarett ausruft, fällt der glückselige Kanonenschuß der die ermatteten Leiber und Seelen neu belebt: die Cafés öffnen sich, die Obst- und Brotverkäufer bringen ihre Waren, auf den Straßen wie in den Häusern wird gegessen, geraucht, und zwar nicht ruhig wie zu andern Zeiten, sondern mit jener freudigen Wut welche die Entbehrung gibt. Man hört jauchzende Kinderstimmen, Gesang, die eintönige Musik der Handtrommel (…).

Damaskus, Sonnabend, Oktober 14, 1843. An Gräfin Schönburg-Wechselburg. Meine liebe Herzens Emy, ich komme ja gar nicht dazu Ihnen zu schreiben! Bis jetzt auf der ganzen Reise einen einzigen Brief! Ich denke immer: es ist für Euch alle, gleichviel an wen adressiert; – heute indessen will ich mich einmal an Sie richten. Gott, was hab ich alles zu erzählen! Ich bin in Damaskus. So fern von der Heimat bin ich noch nie gewesen; Libanon und Antilibanon liegen zwischen mir und dem großen weiten Meer, das mich von Europa abschneidet. Ach, und Damaskus ist gar nicht so “paradiesduftend”, wie die ekstatischen Dichter der alten Omajaden es besungen, und wie die reisenden Europäer es ihnen respektvoll nachgesprochen haben. Aber ich will beim Anfang anfangen, nämlich bei unserm Ausritt aus Beirut, der Montag den 9. um 10 Uhr morgens stattfand. Da müssen sie vor allem die Bekanntschaft eines Mannes machen, der auf der ganzen Reise für ihre materiellen Interessen unser Faktotum sein wird. Es ist unser Dragoman, ein Zypriote, namens Giorgio, der uns in Konstantinopel aufs beste empfohlen wurde, und der unberufen! ein höchst brauchbarer und tüchtiger Mensch ist. Bei dem Wort Dragoman müssen sie nur nicht an die höchst wichtigen und zum Teil vornehmen Leute denken, welche als Dragoman bei den europäischen Gesandtschaften angestellt sind, oder gar an den sogenannten Pforten-Dolmetsch, durch den wenigstens in früherer Zeit alle Staatsgeschäfte mit dem Ausland gemacht wurden, weil niemand außer ihm, der gewöhnlich ein Renegat war, eine abendländische Sprache verstand. Giorgio ist nicht mehr noch weniger als das, was man bei uns einen Kurier nennt, ein Diener der alle Reiseanordnungen zu machen hat; weil aber diese Leute bei der orientalischen Reise türkisch, arabisch, griechisch, außer französisch und italienisch, fertig sprechen müssen: so nennt man auch sie in Konstantinopel Dragomane. Da er die Reise mehrmals gemacht hat, so kennt er alle ihre Erfordernisse und hat uns mit ihnen ausgerüstet. Sie sind groß. Zwei Zelte, Matratzen mit Zubehör, ein Tisch und zwei Stühle, Koch-, Speise-, Wasch- und Kaffeegeschirr, Servietten und Handtücher, Leuchter, Licht und Laterne, Lebensmittel von Reis, Makaroni, Tee, Schokolade, Kaffee, Zitronen und Zucker: das hat er nach und nach angeschafft. Ein paar kleine Mantelsäcke dazu, und wir hatten Gepäck für drei Pferde. Das Klügste was ich seit langer Zeit getan, ist daß ich aus Konstantinopel meine gezierte Kammerjungfer zurückschickte, weil dergleichen Leute nicht für den Libanon und die Wüste taugen; und daß ich mir in Wien einen vollständigen, nicht Männer- aber Knabenanzug machen ließ, ein costume de gamin von größter Einfachheit, Bluse und Pantalon von staubfarbenem Wollenstoff, rot und weiß gestreifte Hemden, runder Strohhut, geknöpfte Schuhe von coutil – ganz namenlos bequem für diese Reise, wo man im Zelt also in Kleidern schläft, und sehr steile und steinige Wege zu Fuß bergauf oder bergab macht. Das lange Reitkleid und unser gewöhnliches Kleid sind beide vollkommen unpraktisch, und mein Anzug, den ein brauner Burnus bei Regenwetter vervollständigt, ist durch und durch empfehlenswert. – Es war ein tumultuarischer Morgen an dem wir uns in Bewegung setzten, denn mit uns zugleich verließen vier Franzosen den Gasthof um nach Jerusalem zu gehen. Deren zwölf Pferde und unsere sieben, die Diener, das Gepäck aller Art, sperrten weithin den kleinen Platz an dem das Haus liegt, und es gab ein Geschrei, ein Gezänk, ein Rufen, Befehlen und Widersprechen, wie man sich keine Vorstellung davon machen kann. Die Maultiertreiber wollten die Bagage anderes verteilen als der Dragoman; dies Pferd sollte geschont werden; jenes war stark. Man packte; dann saß nicht alles fest und paßte nicht genau – man packte wieder ab. Mir war das höchst gleichgültig. Die erste Tagesreise von sechs Stunden war so klein, daß sie keinen frühen Aufbruch erforderte. Endlich kam es doch so weit. Die Packpferde eröffneten den Zug, und der Seïs (Anführer der Maultiertreiber) ritt zuweilen auf dem einen, während zwei Knechte immer nebenher gingen. Dann folgte Giorgio um Pferde und Knechte beständig anzutreiben und zu ermuntern; dann ich, dann Bystram; und ein Bedienter machte den Schluß. Diese Reihenfolge wurde selten gestört, teils weil die Pferde gewohnt sind hinter einander zu gehen und neben einander sich gar nicht zum Fortschreiten entschließen möchten; teils weil die Wege übers Gebirg die allerschmalsten Fußsteige von der Welt sind. Anfangs, aber immer schon steigend, ritten wir zwischen den monströsen Kaktushecken fort, welche die Campagnen umgeben, dann durch Öl- und Maulbeerpflanzungen, neben denen die Akazie mit kleinen goldenen Blüten, rund und weich wie Bälle, köstlich duftet. In Töpfen hat man sie bei uns im Gewächshaus; hier wird sie ein Gesträuch von der Höhe unseres Hollunders. Aber wir bleiben nicht in dieser südlichen Region; wir steigen und steigen die ungebahntesten Wege auf denen man je geritten ist, immer über Geröll von Steinen empor; manche sind faustgroße rollende Kiesel, andre sind Blöcke. Einen ebenen Platz groß genug um seinen Fuß fest und unbesorgt hinzustellen, findet das arme Pferd auf dem ganzen Weg über den Libanon nicht. Aber es ist daran gewöhnt und unglaublich geschickt. Es prüft ein wenig, und tritt dann vorsichtig wie eine Katze vorwärts; nie ist das meine gestolpert! Daher hat der Reisende nichts zu fürchten. Bequem ist dies steile Klettern natürlich nicht, aber ganz sicher. Der Libanon hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Alpen und Pyrenäen, hat nicht ihre grünen Wiesenabhänge, nicht ihre ewigen ungeheuren Schneegefilde, nicht ihre donnernden Katarakte, nicht ihre scharfaufschießenden Spitzen, ihre gleichsam kristallisierten Gipfel, mit denen sie wie mit Adlerhäuptern hoch über den Wolken hinab auf die Erde blicken. Es ist kein Granit-, sondern ein Kalkgebirge, und obgleich seine höchsten Punkte, wie der Djebel Makmel zum Beispiel sich zu 9.000 Fuß erheben sollen, so verändert das doch nicht seine Formation, denn er besteht aus langgezogenen, gewellten und zerklüfteten Rücken über welche jene einzelnen Höhen sich in großen Kuppen immer rundlich, nie zugespitzt, erheben. Die Wasser haben recht ihr Spiel in der Kalkformation getrieben, und sie durchspült, zerwaschen, dann sie verlassen; darum hat der Libanon etwas ungemein Starres, nicht die Frische, die Erquickung, welche einem in den Alpen mit den Quellen entgegen rieselt, mit den Wiesen anweht. Doch öde ist er nicht, obgleich ihm der natürliche Schmuck wilder Vegetation fehlt. (…) Es war gar hübsch wie wir auf unserm ungebahnten barbarischen Wege dahin zogen, dennoch in einer Schlucht tief unter uns ein stilles Dorf mit seinen grünen Feigenbäumen zu sehen oder auf fernen Felsen ein Kirchlein im Schirm einiger Palmen oder über uns, von Stein zu Stein springend und genügsam ein mageres Futter suchend, eine Herde von munteren Ziegen mit langen schwarzen Haaren. Auch großen Zügen von Eseln und Maultieren begegneten wir, denn Beirut ist der Hafen von Damaskus. Alle Erzeugnisse Persiens und des tieferen Orients, die Europa brauchen kann, gehen über Damaskus nach Beirut, und die europäischen gehen umgekehrt wieder nach Persien, nach Bagdad, etc. über Damaskus. Die erste kleine Tagesreise, die um ein Viertel nach 4 Uhr bei dem Khan Husseyn beschlossen wurde, war bei weitem die interessanteste, weil sie zugleich die Kultur des Libanon zeigte, und seine Schönheit hervorhob. Seine Schönheit sind seine Farben im Kontrast zu den Farben des Meeres. Der nackte kahle Stein taucht sich förmlich in die Sonnenstrahlen, und hüllt sich, besonders morgens und abends, in ein Rosenrot, in einen golddurchwebten Purpur, in ein tiefes zartes Violett, für die noch kein Maler den Pinsel gefunden, und die sich wie ein Regenbogen lieblich über das starre Gebirge legten und seine Härte milderten, während das Meer tief unten in größeren und kleineren Ausschnitten bei jeder Wendung sichtbar, und stets in seinem ruhigen himmlischen Blau blieb. (…) Am Morgen des 10. war es prächtig schön beim Khan Husseyn, denn diese Beleuchtung war dem Bilde vorteilhafter als die abendliche. Durch einen tiefen Ausschnitt in den Bergen sahen wir den ganzen Vorsprung, auf dem Beirut liegt mit seinen freundlichen Gärten und Campagnen aus dem Meer auftauchen. Der Hafen mit den Schiffen war zu erkennen; eines zog mit fliegenden Segeln hinaus, und ein anderes war schon so weit in der See, daß man nur jene noch erkannte, so daß es auf weißen Schwingen, wie ein Geisterschiff in den Himmel hinein zu schweben schien. Rund um uns her lag eine in Trümmer zerbröckelte Felsenwelt, auf einem fernen Bergabhang ein Dorf, noch im Schatten der Dämmerung; aber über demselben, auf einem höheren Berge, bereits von der Morgensonne bestrahlt, ein großes Kloster, und während die Sonne rasch über das Gebirg empor stieg, stieg der bleiche Mond, duftig wie eine Seifenblase, langsam und zögernd wie ein Traum am Horizont herab. Hätte ich immer ein solches Bild vor mir, so würde ich mich während der Aufpackstunde nicht langweilen. Um 7 Uhr brachen wir auf und erreichten um 9 Uhr, auf sehr schlechten Wegen, die Höhe des Passes. Von nun an ging es bergab und wir verloren das göttliche Meer aus den Augen. Der Blick auf den Antilibanon und in das Tal der Bekaa, welches beide Gebirgszüge trennt, entschädigte uns keineswegs, denn er ist unbebaut und unbewohnt und noch weniger scharf gezogen als der Libanon, und die Bekaa, ein höchst fruchtbares Ackerland, das den besten Boden besitzt, ist in dieser Jahreszeit durch den Sommer ausgedörrt, und wartet auf die herbstlichen Regen, um zu ergrünen. Ist das Erdreich durch den Regen befruchtet, so wird der Acker leicht und oberflächlich bestellt. Im Frühling ist das Getreide reif, wird geerntet, und dann nimmt der Boden wieder den Charakter eines verdörrten Weidelandes an: so wie wir ihn gesehen haben. Sprechen Reisende von der paradiesischen Bekaa, so haben sie vermutlich im Frühling sie gesehen. Gewiß ist es aber, daß dieses Tal eines der herrlichsten der Erde, reich wie die Ebene der Lombardei, wie die Vega von Valencia und Granada sein könnte, wenn man ihm die Sorgfalt und Pflege widmete, welche jenem zuteil werden, denn es hat Wasser vollauf: den Leontes, einen großen Wiesenfluß, der in der Bekaa selbst aus einem kleinen See entspringt, das ganze Tal durchläuft und später oberhalb von Tyrus im Meer fällt. Man könnte ihn herrlich zu Irrigationen benutzen und die Bekaa in den üppigsten Garten verwandeln. (…) Wie kleine Oasen sind hie und da Pflanzungen von Obstbäumen, Bouquets von Pappeln und Weiden, in die Ebene, neben ein Dorf gestreut; es sind jedoch stets nur geringe grüne Flecke im Vergleich zu der Ausdehnung des Tals, und Silberpappel und Weide sind auch nicht sehr erfreuliche Bäume, indessen freut man sich dennoch an dem frischen Grün, besonders bei der Mühle von Sachle, wo wir um halb zwei Uhr Halt machten, und ein wenig frühstückten. Jene Bäume und das kleine Bächlein, das die Mühle in Bewegung setzte, machten einen ganz europäischen Eindruck. (…) Wir ritten weiter, bis wir um fünf Uhr bei dem Dorf Temnin ankamen, das schon ganz und gar in der Ebene liegt. Tief unten, am südlichen Ende derselben hebt sich der höchste Punkt des Libanon und Antilibanon aus der Kette hervor, der Djebel Scheikh. Er ist eine mächtig große, aber im Grunde formlose Masse, die sich nicht von ihren Nachbarn auszeichnet. Er soll es sein, der in der Bibel Hermon genannt wird. Ich war nun in dem alten Cölesyrien und höchst gespannt auf den morgenden Tag, der mich nach Balbek bringen sollte. Der Tag kam. (…) Von Temnin ritten wir in fünf Stunden immer durch die unmerklich ansteigende Ebene, die von einem Ende zum andern ihren Charakter als baumloses, unbestelltes, höchst fruchtbares Ackerland behält, nach Balbek. Um 12 Uhr erreichten wir unsern Lagerplatz bei einer kleinen Wassermühle und einem Walnußbaum, ganz nah den Ruinen und mit der besten Aussicht auf die wundervollen sechs Säulen des Riesentempels, die wir schon seit anderthalb Stunden gesehen hatten. Hier also war die Stätte, wo der Gott der ältesten Völker des Orients, der Assyrer, Babylonier, Phönizier, der Gott des Lichtes, Baal, verehrt wurde. Die volle Mittagsbeleuchtung in der wir die Tempel zuerst sahen und besahen, war ihrer Schönheit nicht günstig. So viel Licht von oben und rings herum, drückt das Beleuchtete herab und zusammen, und sie kamen mir weniger majestätisch in der Nähe als in der Ferne vor. Aber je tiefer die Sonne sank, um desto größer wurden sie. Wir verbrachten natürlich den Tag in den Ruinen. Mohammedaner und Christen, Turkmanen, Seldschuken, Mongolen, und überdas die fürchterlichsten Erdbeben haben hier gehaust. Kaiser Theodosius hat den Sonnentempel in eine christliche Kirche verwandelt; Sarazenen haben seine Steine zum Bau einer Moschee verwendet; ein Fortifikations-Überbau mit Schießscharten erhebt sich über den Mauern des Riesentempels, Hügel von Trümmern, Berge von Schutt sind durch die Erdbeben überall zusammen gewühlt und aufgetürmt, und trotz dieser Verwüstungen prangen die Überbleibsel noch immer in unverwüstlicher Herrlichkeit. Im Dorf, und in einen Ziegenstall verwandelt, liegt ein kleiner Tempel der Vesta, rund wie man sie dieser Göttin widmete, und sehr überladen, der schwerfälligen Konstantinischen Zeit präludierend. Am andern Morgen eilte ich zu den Ruinen um die Sonne über ihnen aufgehen zu sehen, wie ich sie hatte untergehen sehen, und da begriff ich die Fabel von der klingenden Memnonssäule. Während der Zeit waren die Zelte unten am Bach verschwunden, die Pferde gesattelt und gepackt, – wir mußten fort. Ja, sagt’ ich, Baal ist gefallen! Aber der echte Lichtgott lebt ewig in unseren Herzen, und lenkt sie wie die Sonne die kleine dunkle Erde lenkt. (…) Oberhalb der Steinbrüche ritten wir in den Antilibanon hinein, anfangs am Bergabhang, mit dem Blick auf das mächtige weite Tal, das im Süden fürs Auge durch den Djebel Scheikh geschlossen wird, und im Norden mit Hügeln in die Ebene zu verlaufen scheint; dann, nach drei Stunden, schroff und steil über einen scharfen Bergrücken, auf dem der Pfad über rollendes Gestein im Zickzack laufend so unsicher schien, daß ich zum ersten Mal den eignen Füßen lieber, als denen des Pferdes mich anvertraute. Der Wüstencharakter beginnt; jenseits des Antilibanon erstreckt sich ja die große syrische Wüste, in der die Ruinen von Palmyra liegen, bis an den Euphrat. Durch die trockenen, steinigen Bette wilder Winterströme, ritten wir nach kurzer Rast weiter, immer aus einer Schlucht in die andere. Sie waren nicht ganz kahl, eine Eichenart, die aber nur ein Strauch wird und die man zu Färbereien braucht, gedeiht zwischen dem Gestein. (…) Als wir in das große Dorf Zebdani hineinritten, wo die Bewohner in Gruppen vor ihren Türen saßen um die Fasten des Ramadan durch Gespräche zu erheitern, schlugen sie uns dringend den kleinen freien Platz in der Mitte des Dorfes zur Lagerstätte vor, um uns so recht mit Bequemlichkeit samt unserm Tun und Treiben zu beobachten. (…) Es hatte über Nacht geregnet und nebelte noch ziemlich stark als wir gestern noch vor 7 Uhr unsere letzte Tagesreise antraten. Sie war ziemlich stark, denn um Mittag rasteten wir nur eine halbe Stunde, und kamen erst um 5 Uhr vor dem Tore von Damaskus an; aber sie war unterhaltender als die übrigen – die erste ausgenommen. Durch Gärten ritten wir aus Zebdani heraus, wie wir hineingekommen waren; Kühe und Ziegen suchten sich in ihnen Nahrung, meistens an den Weinblättern und an dem zweiten Trieb der Maulbeerbäume. Durch zahlreiche schmale Graben verteilt das Flüßchen sein Wasser in den Pflanzungen. Später wird der Boden morastig, die Kultur hört auf, und der Barrada scheint zu versumpfen. Allein er macht eine Wendung, bricht durch die Berge, und stürzt mit einem recht schönen Fall in eine tiefe Schlucht und durch sie fort. Der Weg folgt dem Fluß, ist einigermaßen gemacht, an einer Stelle untermauert, an anderen durch den Bergabhang gestochen; einmal führt sogar eine gute sichere Brücke zum anderen Ufer hinüber. Dies ist der Felsenpaß el Suk, der die Merkwürdigkeit besitzt, daß in seine schroffen Kalkwände und in bedeutender Höhe Höhlen mit regelmäßigen Eingängen gehauen sind. Einige dieser Türen sind mit rohen Pilastern eingefaßt; neben anderen sieht man architektonische Zeichnungen. (…) Endlich, als wir den Höhepunkt eines Berges erreicht hatten, lag eine ungeheure, gelblich-staubfarbene Ebene zu unseren Füßen, und darin ein großer grüner Fleck, eine Oase, aus deren Bäumen Kuppeln und Minarette sich erhoben; das ist Damaskus inmitten seiner Aprikosengärten. Großartig oder malerisch präsentiert es sich gar nicht; nur freundlich und fruchtbar. Der Barrada, sobald er seine Bergwiege verläßt und in die Ebene hineintritt, zerspaltet sich in sieben dünne Ärmchen, äußerst vorteilhaft für die Gärten, doch nicht für die Landschaft, denn das Wasser verschwindet aus ihr. Sie besteht, wie gesagt, aus einer Wüste. einem Obstgarten, und den verwaschenen Linien des Antilibanon. So ist wahr und wahrhaftig die Ansicht von Damaskus, meine Herzens Emy.

Kloster auf dem Karmel, Oktober 25, 1843. An meine Schwester. (…) Jetzt sitze ich in meinem Zimmer, dessen hohes, weites, starkvergittertes Fenster mir die unbeschränkte Aussicht auf das wundervolle Meer öffnet, an dessen Ufer ich die ganze Reise von Beirut hieher gemacht habe. Ich hörte sie sei langweilig; das habe ich durchaus nicht gefunden, obgleich man keine überraschenden Schönheiten sieht. Von Beirut bis Akka sind drei kleine Tagesreisen, während welcher man sich beständig in einer Ebene zwischen dem Meer zur Rechten, und den Vorbergen des Libanon zur Linken befindet. Diese Berge ziehen sich bald in der Ferne dahin, so daß die Ebene einen breiten Landstrich bildet, und bald nähern sie sich dem Ufer und, das Meer gleichsam mit einem Finger berührend, bilden sie Vorgebirge über die der Weg klettert. Im Ganzen flacht sich der Libanon allmählich so ab, daß er bei Akka zu Hügeln eingesunken ist; so endet er. Die breite Ebene von Akka durch die einige Flüsse ins Meer gehen, scheidet ihn vom Karmel, und war die Grenze des alten gelobten Landes – von Jehovah den Nachkommen Abrahams gelobt und gegeben. Zwischen dem Libanon im Norden, dem Meer im Westen, der arabischen Wüste im Süden, und dem Jordan und Toten Meer im Osten lag es, und was den Israeliten das gelobte Land und den Christen wegen Leben und Sterben des Heilands das heilige Land hieß, hat diese Benennungen wie auch den Namen Palästina, fast ganz verloren, und wird gewöhnlich mit seinen Nachbarländern im Norden und Osten zusammen genommen Syrien genannt. All meine Gedanken sind schon in Palästina! Ich muß mir wirklich Mühe geben um bis Beirut zurückzugehen, das wir am Sonntag, den zweiundzwanzigsten Oktober, um acht Uhr früh verließen, erst durch Maulbeerpflanzungen und ein Pinienwäldchen, dann durch eine tiefe Sandstrecke ritten, die das Meer feindlich an der Küste abgelagert hat. Nach ein paar Stunden hören Sand und Pflanzungen auf, aber immer bleibt man auf einem pflanzenreichen Boden, dem nichts gebricht als Kultur um der einträglichste und gesegnetste zu sein, denn die steinigen Vorgebirge und einige Sandstriche abgerechnet, fehlt es nirgends an Wasser. Häufig mußten wir Bäche durchreiten, die jetzt nicht bedeutend, zur Regenzeit aber hemmende Ströme sind. Zwischen hohen Oleandersträuchen schlängelten sie sich, die mit glühend roten Blüten dick überschüttet waren, was prächtig aussah unter dem Tiefblau des Himmels. Über die Vorgebirge war der Weg holprig und steil, sonst recht bequem. Hie und da zog ein Schiff durch die stille blaue Flut zu unsrer Rechten, und zur Linken, höher hinauf im Libanon, auf vorspringenden Bergkuppen, lagen zuweilen große Gebäude, Klöster der Christen oder Schlösser der Drusen, und Dörfer beider. (…) Um halb sechs Uhr kamen wir nach Saïda, dem biblischen Sidon, das jetzt nicht mehr wie zur Zeit der Phönizier durch seinen Purpur – wohl aber durch die Bananen berühmt ist, die in seinen Garten vortrefflich gedeihen sollen. Die Araber lieben diese Frucht so sehr, daß sie meinen es sei die gewesen, welche Eva im Paradiese verlockt habe, und in der Form der Blüte soll sich der Schlangenkopf deutlich erkennen lassen. Vor dem Tor der Stadt auf dem festen reinlichen Ufersand, zwischen dem Meer und großen Gärten voll Ölbäumen, die mit Tamarisken eingefaßt waren, schlugen wir die Zelte auf, und es war prächtig zu schlafen bei dem feierlichen Wiegenliede, womit das Meer während des Schlummers der Erde Wache hält. Als wir bei Sonnenaufgang uns rüsteten, war schon alles um uns her in großer Tätigkeit. (…) So ganz alltäglich, Gewerbe und Handel treibend, präsentiert sich jetzt die stolze Sidon, die eine Königin unter den Städten war. Ihre Lage ist hübsch. Auf einem kleinen Vorsprung der Küste, wie auch Beirut, Tyrus und Akka, tritt sie ins Meer hinein, und eine Brücke führt zu ihrem alten Kastell, das auf einer Klippe erbaut ist. Wir ritten zwischen der Stadt und ihren Gärten fort, und kamen als wir letztere hinter uns hatten, in ein ganz ausgebranntes Heideland, das aber zur rechten Zeit, wenn es nach den herbstlichen Regen bestellt ist, höchst fruchtbar sein muß. (…) Während die Hirten ihre Viehherden aus dem Dorf in die freie Wildnis trieben, und als die Sonne über die letzten Höhenzüge des Libanon stieg, gegen sieben Uhr brachen wir auf. Wir mußten das Cap blanc, das höchste Vorgebirge an dieser Küste passieren. Der Weg hinüber ist einigermaßen gemacht, d. h. die Felsblöcke sind vom Pfade geräumt, der im steilen Zickzack herauf und hinab läuft; aber das ist kaum eine Verbesserung, denn die Pferde haben keinen sichere Tritt auf den kahlen Kalksteinplatten, und gleiten leicht aus, vorzüglich wenn es bergab geht. Hernach war der Weg wieder ganz gut, weil man immerfort ungestört durch die Ebene zieht, und dabei einzelne malerische Bilder hat: ein Dorf unter Palmen auf einem Hügel am Meer; ein Paar mächtige einsame Säulen auf einem andern an den Libanon sich lehnenden, später große Orangenpflanzungen, die herrenlos und verwildert aussahen, und zwischen denen die schönsten Gesträuche blühten, Rosen und Oleander in Fülle, und ein baumartiger Busch der köstliche Blumen trug halb weiß halb rosenfarben, groß wie Kamelien, aber die Blätter lockerer. Es war eine Pracht all dies jugendliche Rot zwischen dem kräftigen Orangenlaube zu sehen. Ab und zu tauchte das Meer auf, und mit ihm Akka und im Hintergrunde der Karmel; dann wurden sie wieder von Dünen versteckt. Darauf kam ein alter Aquädukt wohl eine Meile lang zu sehen. Wie ein heiterer Greis nahm er sich aus, denn üppige Schlingpflanzen hatten ihn ganz und gar mit dichtem Grün umsponnen. Ein Teil der Bogen war neu gebaut; da gediehen sie nicht in gleichem Maß. In der Nähe der Stadt wurde es belebt, es war der erste Tag des kleinen Beiram, der die langen Fasten endet. Durch tiefen Sand, die Mauern umgehend, kamen wir an das Tor, das nach dem Karmel führt, und fanden dort die ganze Bevölkerung fröhlich versammelt, Männer, Weiber, Kinder, Soldaten, Beduinen – alle durcheinander, und sehr friedlich. Das Hauptvergnügen bestand in Schaukeln. Zwei gewöhnliche und drei russische waren aufgeschlagen und drehten sich knarrend. In großen Kreisen saßen die Raucher beglückt bei ihrem Nargileh. Ein kleines Boot nahm Wanderlustige auf und führte sie ins Meer – zehn Minuten weit; dann wieder zurück, und die Spazierfahrt war aus. Junge Leute übten sich auf dem feuchten festen Ufersand im Springen, zum Teil recht geschickt. Die Kinder waren neu und herrlich gekleidet, mit kleinen Goldmünzen am Tarbusch, auch wohl im seidnen Kaftan. Was die Frauen für ihre Toilette getan hatten, wurde man nicht gewahr; unerbittlich verhüllte der weiße Schleier jede Schönheit der Gestalt und des Anzugs. (…) Akka ist der arabische Name der Stadt und bedeutet die Gebrochene, und so sieht sie auch aus. Eine Bucht tritt zwischen ihr und dem Vorgebirge des Karmel ins Land hinein. Man muß sie umgehen um zu ihm zu gelangen. Hart am Strande ritten wir hin. Zur Linken hatten wir dünenartige Sandhügel, welche die weite Ebene, die sich hinter ihnen ausbreitet, gegen das Meer begrenzen und schützen. Durch zwei Flüsse mußten wir reiten; der letzte heißt Kison. An seinem anderen Ufer beginnt ein schöner Palmenwald mit Unterholz von Granaten, Orangen, Feigen und Johannisbrotbaum, der bis zum Städtchen Kaiffa fährt, welches am Fuß des Karmel liegt. Hier beginnt man zu steigen, anfangs allmählich durch einen weitläufigen Olivenhain, in dem große Herden von Ziegen und Rindern weideten, dann steiler an der nackten kreidigen Bergwand, jedoch auf gebahntem Wege zum Kloster empor, das fest und stattlich auf einem Absatz des Berges liegt. Die Väter wünschten uns Glück daß uns nichts Unangenehmes begegnet sei. Der Weg gilt für sehr unsicher, und wir haben auch einzelne bewaffnete Beduinen zwischen den Dünen herumschleichen sehen; aber unser Zug war ihnen wohl zu groß für einen räuberischen Anfall. Von hier längs der Küste über Jaffa nach Jerusalem zu gehen, soll unmöglich sein, weil es ein sehr öder Landstrich ist, in dem sich die Beduinen oft aufhalten. So werden wir denn übermorgen nach Nazareth – auch nicht mit großer Sicherheit, und von dort nach Jerusalem pilgern. Aus Nazareth schreibe ich. Gehab dich tausendmal wohl. Quelle: Ida Gräfin Hahn-Hahn: Orientalische Briefe. Verlag Alexander Duncker, Berlin 1844.

Drei Monate am Libanon

Oscar Fraas (1824 – 1897) reiste erstmals 1864 bzw. 65 in den Orient und bereiste Ägypten und Palästina bevor er nicht ganz ein Jahrzehnt später, auf Bitten des syrischen Gouverneurs, 1875 den Libanon bereiste und diesen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Bodenschätze hin, erforschte. Seine Eindrücke schildert Fraas in einigen Reisebriefen, zunächst im Schwäbischen Merkur, dann in seiner Publikation Drei Monate am Libanon: «(…) es sind Plaudereien, denen der Verleger die Ehre anthut, sie noch einmal zu drucken».

Bord der Venus 18. April 1875. Mit Sonnenaufgang lag der fahle Strand zwischen Gaza und Jaffa in Sicht, der als ersten Anblick vom heiligen Lande nicht gerade freundlich den Pilgersmann anmuthet. Die breite Sanddüne, die mit jedem Jahr wächst und längs der ganzen syrischen Küste immer weiter vorwärts schreitet, theilt der Landschaft eine unendliche Oede mit, dass seit Jahrhunderten sicherlich jeder Abendländer bei dieser Aussicht die erste der großen Enttäuschungen erfährt, die ihm das gelobte Land in so großer Menge bereitet. Um zehn Uhr viel endlich der Anker und es begann das grausige Schauspiel der Ausschiffung. Auf der Treppe des Dampfers stehen zwei hilfreiche Araber, der dritte im Boot. Die zwei fassen den unglücklichen Abendländer, hängen ihn in die Luft über das Boot und lassen ihn in dem Augenblick, fahren, wenn dessen Boden beim Aufwärtsschwanken die Füsse berührt. Fortgeht es dann mit entsetzlichem Geschrei zehn Minuten lang, berauf und bergab durch die Brandung an’s Land. Immer noch geht es durch das kleine Loch von Douane in die enge, holprige, schmutzige Gasse zum heiligen Land hinein, durch das seit einem Jahrtausend der Abendländer hereinzieht. Zum alten Thor geht es wieder hinaus zum arabischen Kirchhof: anstatt aber gegen Osten sich zu wenden auf der grossen, breiten von Opuntien eingefassten Strasse, die nach Jerusalem führt, gehen wir nordwärts durch die Hecken, wo aus der Ferne schon freundlich neue Häuser winken (…).

Beirut, Hotel Rustem Pascha den 22. April 1875. Montag den 19. April, Abends vier Uhr war endlich die Fahrt von Stuttgart nach Beirut zu Ende. (…) Ein Diener des Pascha erwartete mich in der Barke und entführte mich rasch den Getümmel des Hafens und der Douane mit einer Karosse in das herrlich gelegene Hotel. Unter der Thür erwartete mich eine Dame, die deutsche Frau eines Angestellten, welche das Hauswesen des Paschas überwacht. Der Pascha war noch in Baada, wo die Administration des Libanon ist. Beirut Stadt gehört nämlich zu Syrien, der Fluss hinter der Stadt scheidet Syrien und den Libanon. Der Generalgouverneur des Libanon hat seine Wohnung zwar, aber nicht seinen Sitz in Beirut, sein Sitz ist Baada und Beteddin. Gestern fuhr ich mit dem Pascha nach Baada, einer alten aber neu hergerichteten Emirsburg, malerisch auf einer Höhe von 242 Meter über dem Meer gelegen, über einem an den Berg gelehnten Maronitendorf gleichen Namens.

Djéba am 1. Mai 1875. Wo Djéba liegt, weiss natürlich Niemand in Württemberg, weiss ich es selber doch erst seit wenigen Tagen; und doch ist Djéba der Sitz des Schech Abdallah, des achtzigjährigen Meteollitenpapstes, der Geleitbriefe ausstellt bis über Persien hinaus und das Land im Paradies meterweise verkauft an seine Gläubigen. (…) In der ganzen Gegend um Djéba dreht sich das ganze Leben um die Seide. Feigen- und Weinpflanzung tritt der Kultur des Maulbeerbaums gegenüber ganz in den Hintergrund, da letzterer das Futter für die Raupen abgibt. Djéba ist reizend gelegen , bereits in einer Höhe von 850 Meter auf einem der Ausläufer des Libanon. Die höchste Höhe heißt Nebi Safé, 1340 Meter über dem Meer, von der aus wir weithin sahen und die ganze Kette vom Karmel bis zum See Houleh und Tiberias im Morgenglanz einer Frühlingssonne ausgebreitet lag. Der Djebel Schechm oder der grosse Hermon liegt noch in undurchdringlichem Schnee begraben (…).

Hamána. Unter dem Zelt den 14. Mai 1875. Heute ist das grosse Wasserfest in Beirut, das heisst das Fest der Einweihung der Wasserleitung, welche der Stadt vom Nahr el Kelb her nunmehr das Trink- und Nutzwasser bringt. Aus Nah und Fern sind Gäste geladen, der Valy von Damaskus, Abdelkader, der obgleich ergraut, noch recht schmuck zu Pferde sitzt, die sämtlichen Gesandtschaften, die Mudire und Kaimakane, Alles, was in Beirut Beine hat wird heute zum Hochreservoir über der Stadt hinauswallen, um die Msuikbanden zu hören und die Uebergabe des Wasserwerks an den Pascha de Stadt mitanzusehen und das “Allah Nasroh” mit auszurufen, das aus der Ferne klingt wie ein “Hoch”, denn das “Allah Nasr” wird halb verschluckt, um das “oh” recht kräftig zu dehnen und zu brüllen. Ich zog es vor, um meine Zeit zu sparen und nicht unnöthig in dem schon recht heiss gewordenen Beirut herum zu liegen, nach zweitägiger Rast meine Expedition fortzusetzen (…).

Kerak Nöe, 20. Mai 1875. Der Weinbau im Libanon. Ich schreibe diese Mittheilung mitten im Weinland des Libanon, in Erinnerung an den kommenden Urbanstag, ich schreibe diese Worte im Zelt, das neben den Weingärten von Kerak Nöe aufgeschlagen ist, unfern vom Grabe Noahs, der hier wie bei uns der Vater des Weinbaus heißt. (…) Seit ich aber den Wein von Sachlé, Kerak und dem Bekáa (das Tiefland zwischen Libanon und Antilibanon) gekostet, ist mir begreiflich, warum Vater Noah von der frommen Sage gerade hierher verlegt wird. In dieser Gegend ist wohl die Wiege des Weinbaues, die Heimath des Weinstocks zu suchen, der Wild aus den Waldbäumen, mit Vorliebe den Eichen, hinaufklettert, so dass man aus der Ferne nicht recht weiss, was für einen Baum man vor sich hat, der die Gestalt eines Eichbaumes hat, aber die Blätter des Weinstocks trägt. (…) Man glaube ja nicht, dass der Weinbau im Libanon so roh betrieben werde, als es z.B. in Jaffa der Fall ist oder selbst in Italien. Vielmehr wird mit großer Sorgfalt überall gebaut und sicherlich beruht auch die Erziehung des Stocks auf Jahrtausende alte Erfahrung (…).

Unter den Cedern, 24. Mai 1875. Ganz abgesehen von dem Rufe der Heiligkeit, in den die Cedern des Libanon gekommen sind, abgesehen von dem uralten Ruhm, dieser Bäume, den schon die Sänger des alten Bundes schufen, macht der Cedernhain bei Bscharreh einen ganz gewaltigen Eindruck, namentlich zur jetzigen Jahreszeit, wo derselbe eigentlich aus den riesigen Schneemassen, welche das Gebirge decken, als eine schwarze Insel hervortritt. Vorgestern verließ ich mit meiner Expedition die alte Sonnenstadt Baalbeck, wo ich in den Ruinen des Jupitertempels die Zelte hatte aufschlagen lassen. Baalbeck ist heute noch eine Sonnenstadt, denn wir hatten 30° C. im Schatten. Nach einem vierstündigen Ritt durch die Ebene des Bekâa zum rothen Kloster fing das Steigen an und erreichten wir Aintaa über dem Alpensee Yamuneh mit Sonnenuntergang. Trotz der 1484 Meter über dem Meer war es zwar frisch, aber nicht kalt und wir brachen um 4 Uhr früh auf, um den in tiefem Schnee begrabenen Pass al Adib, der zu den Cedern führt, zu übersteigen. (…) Um 7 Uhr schon waren wir auf der Höhe, wo das Thermometer 6° zeigte und der letzte Blick des Abschieds auf das reiche Bekâa und die Berge von Damask geworfen wurde. Der Blick vor mich hin zeigte in der Ferne das Meer mit der ganzen phönicischen Küste von Tripoli bis Dschebail, in der Nähe die schluchtenreiche Provinz von Bscharreh und in nächster Nähe ein grosses Schneefeld, aus dem inselartig graue Felsmassen auftauchen und schliesslich ein schwarzer Fleck zu unseren Füssen sichtbar wurde, der, je tiefer wir abwärts stiegen, um so grösser ward und gegen 10 Uhr Vormittags sich in den heiligen Hain der Cedern aufgelöst hat. Menschen und Thiere waren geschunden und ich liess die Zelte unter einer dreitausendjährigen Ceder aufschlagen (…).

Lager am Nahr el Kelb, den 7. Juni 1875. Die Expedition naht ihrem Ende. Zum letzten Male ist das Zelt aufgeschlagen, und zwar am Meeresstrand bei der Mündung des Hundsflusses. Zehn Schritte vom Zelt brandet die ewige Welle, die hier das Süsswasser des Stromes verschlingt. An diesem Punkt tritt das Gebirge des Libanon hart bis an das Meer, ohne auch nur den schmalsten Streifen Ebene zwischen dem Hochgebirge und dem Meer zu lassen. Die grosse Küstenstrasse Syriens, auf welcher seit den ältesten Zeiten die Völker und Heere hin und her zogen, ist daher in Felsen gehauen, und dieselben haben von den Zeiten der Assyrer her bis in die neueste Zeit durch Inschriften sich verewigt. (…) Von der Felsplatte 300 Meter über dem Meere, die von hier erstiegen werden kann, warf ich den letzten Blick in das Hochgebirge das Kesruans, die wildeste und raueste Provinz des Libanon. (…) Glücklicher Weise sind unsere Knochen noch ganz und können morgen sämmtliche Mitglieder der Expedition gesund und wohlbehalten wieder in der alten Pinienstadt einrücken. Trotz aller Mühseligkeiten und Gefahren des dreiundvierzigtägigen Rittes auf den unwegsamen Pfaden des Hochgebirgs regt sich jetzt schon beim Abschied eine Art Heimweh nach der wunderbaren Felsenschönheit, nach dem herrlich frischen Wasser, den unvergleichlich schönen Sternennächten und dem erquickenden Schlaf im Zelte, mit dem es fortan eine Ende haben wird im heissen Beirut, wo voraussichtlich Schaaren unwillkommener Gäste das Nachtlager wieder mit uns theilen wollen.

Bord der Diane den 17. Juni 1875. Ich fahre diese Tour in erster Kajüte, um allein meine Kabine zu haben, denn es graute mir bei 30° im Schatten vor dem gemeinsamen Schlaf- und Speisesalon. Die 30° im Schatten sind auch Schuld, dass ich von Beirut wegkam, ohne eigentlich zu wissen wie: mein Denkwerk war sozusagen lahmgelegt und kam erst wieder vor Cypern etwas in Gang.

Sonntag, den 20. Juni 1875. In Smyrna lag unsere Diana 28 Stunden vor Anker. Zeit genug, um alsbald an’s Land zu fahren und die volle Zeit am Lande zu verbringen. (…) Seit G. Schliemann’s Ausgrabungen ist die trojanische Frage, wie wir sie nennen, zur brennenden Frage geworden und ich unterschätze wahrlich den Werth der Lösung dieser Frage nicht. Wer die Situation der trojanischen Küste, das Schlachtfeld in der Flussebene, die Schutthügel dahinter sieht, muss auf Schliemann’s Seite treten, der auf die natürlichste und eben darum wahrste Weise die topografische Frage löst. Der Ueberfall der Troer, um die griechischen Schiffe zu verbrennen, der Kundschafter, der in der Nacht den Weg von der Feste zum Meer hin und zurück machte, die Lage Troja’s auf dem rechten Ufer des Skamander – das Alles passt zu Schliemanns Topographie, Der Einwand, dass die Mündung des Mendere heutzutag keine Bucht mehr bildet, sondern Sümpfe, in denen kein Schiff mehr sich bergen kann, verschwindet Angesichts der Thatsache, dass an der ganzen Küste der Boden sich hebt, oder, wenn man eine andere Sprache vorzieht, das Meer im Zurückweichen begriffen ist. Vor dreitausend Jahren war noch Meeresbucht an der Stelle der Sümpfe, gross genug die Flotte der Griechen zu bergen, so sie jedenfalls geschützter lagen, beziehungsweise leichter an’s Land zu ziehen waren als, als in der Bai von Besika, gegenüber Tenedos. Wer das alte Ilion nach Bunarbaschi verlegt, d.h. links von Skamandar Strabo’s ist 14 Kilometer vom Meer entfernt und muss über Flüsse, Berg und Thal; allerdings finden sich dort auch alte Mauerreste, aber noch ungehoben ist der Inhalt den sie bergen, während Schliemann einen jedenfalls reichen, vollen Inhalt bei Hissarlik an’s Licht gezogen. Dass der Inhalt uns nicht behagt und wir statt der Fratzengesichter auf den Urnen und Lampen lieber ein späthgriechisches Ahnenbild sähen, ist natürlich. Ob uns eine Thatsache auch enttäuscht, so bleibt sie deswegen doch eine Thatsache und wenn Schliemann’s Gegner nicht durch andere Thatsachen ihm gegenüberzutreten vermögen werde ich mich nicht irre machen lassen, Schliemann’s Troja für dasjenige zu halten, welches den Stoff abgegeben hat für die homerischen Sagen (…).

An Bord der Albrecht am 28. Juni 1875. Die Woche in Konstantinopel flog wie ein Traum vorüber. Will man kein Buch schreiben über Konstantinopel, so thut man besser daran, lieber Nichts über die Wunderstadt am Bosperus zu schreiben. (…) Vom Donaudampfer aus, der mit allem Comfort versehen ist, sah ich zum Abschied von türkischem Boden noch lange einen Originaltürken, der auf einem Eckpfeiler am Quai mit überschlagenen Beinen hockte, unbeweglich wie eine Bildsäule, das getreue Abbild seines Vaterlandes. Quelle: Oscar Fraas: Drei Monate am Libanon. Verlag von Levy & Müller, Stuttgart 1876.

Wanderfahrten im Orient

1892 macht sich Paul Wilhelm von Keppler (1852 – 1926) in den Orient auf und reist über Kairo und Jerusalem in Richtung Syrien wo er sich von der Schönheit Damaskus verzaubern lässt.

Damaskus, Perle des Morgenlandes, Halsband der Schönheit, Blume des Paradieses, Auge der Wüste, Gefilde der himmlischen Pfauen (…) – wirst du all diese Kosenamen und Ehrentitel rechtfertigen können in den Augen eines Nordländers (…)? Gleich am ersten Tage sei die Probe gemacht. Von oben herab, von der Anhöhe über die Vorstadt Salehije, wo die Siegeskuppel, Kubbet en-Nahr, sich gen Himmel wölbt, wollen wir aus der Vogelperspektive das Stadtbild kühl kritisch prüfen und zergliedern. Ruhig und siegesgewiss schaut die Stadt dem Fremdling ins Auge, und es ist ihr nicht bange vor dem Urteil, hätte er auch alle Weltwunder schon gesehen. Ja, sie ist eine orientalische Zauberin und lässt alsbald ihre Reize spielen und flimmern, und legt im Sonnenglanz ihren gleißenden Schmuck aus, und stark blasiert würde der sein, bei dem nicht nach kurzer Zeit der starre kalte Blick des Forschers sich in den weichen, warmen Blick des Bewunderers verwandelt.

(…) Der Gürtel ihrer Schönheit ist das Gebirge. An die große Kette des Antilibanon, die in der Ferne verduftet, und verblaut, knüpfen ihre Ringe an die kahlen Sandberge Dschebel Kalamun, Kasiun, Kalabat el-Mezze, goldgelb schimmernd (…). Daran fügt der Hermon den Silberschmuck seiner Schneefelder. Jenseits begrenzen die weite Ebene die am Horizont verschimmernde Höhe des Hauran und die vor ihn aufragenden Vulkanberge Dschebel-al-Mani. Der Teppich ihrer Schönheit ist der herrliche Talgrund, der zwischen den Bergzügen sich ausbreitet, grünbesamtet, mit den Silberfäden von angeblich 70 Kanälen und 300 Quellen durchzogen, vor allem mit dem breiten Silberbande des herrlichen Barada, des Goldflusses, der mit vielen Armen die Stadt umfängt. Das Halsband ihrer Schönheit ist der große, grün emaillierte, breite Kranz des Ghuta, des großen Obstwaldes, der rings die Stadt umzieht und nach Osten und Süden sich zur endlosen Fruchtebene erweitert, mit hunderten von Dörfern und unzähligen Flüsschen (…). Von diesem farbenprächtigen Teppich, aus diesem Halsschmuck erhebt die Stadt ihr königliches Haupt und Anlitz, in zartem weiß leuchtend, kräftig und mild profiliert durch die Architekturlinien von zweihundert Moscheen mit Kuppeln und Minaretten. In der Tat ein Anblick, der nicht nur den Araber, auch den Abendländer zum Entzücken hinreißt.

(…) Unglaublich verworren sind die Maschen ihres Straßennetzes; die Orientierung wäre fast unmöglich, läge nicht so ziemlich in der Mitte der Stadt die große Moschee und würde nicht eine Strasse in ganz gerader Linie den Hauptkörper der Stadt in zwei beinahe gleiche Hälften zerlegen – die Gerade Straße, die schon in der Apostelgeschichte (9,11) genannt ist. (…) Abgesehen von der großen Moschee und einigen hübschen (…) Moscheebauten in der Altstadt und der Vorstadt Meidan, ist eigentlich nur ein Monumentalbau zu verzeichnen: die Zitadelle am Eingang der Altstadt (…); die trotzigen Mauern und Türme mit hübsch ausgekragten Erkerchen sind ein mittelalterliches Werk, ruhen aber auf dem unzerstörbaren Fundament uralter, fugengerändeter Quader. Gewaltig ragen auch noch im Osten und Süden der Stadt lange Trakte der alten Stadtmauer auf, römischer Bau in den unteren Schichten, arabischer in den mittleren, türkischer in den oberen, mit malerisch zerfallenen runden und viereckigen Türmen besetzt, teilweise mit Häusern überbaut; im Osten noch eine altrömische Toranlage, ursprünglich dreiteilig (…). Im Gassengewirre der Bazare fallen einige monumentale Chane in die Augen, besonders der Chan Asad-Pascha, welcher angeblich 2000 Kamele und 5000 Menschen beherbergen kann, einst von neun Kuppeln überwölbt; drei davon hat das Erdbeben zerstört. Schöne Villenbauten mehr europäischen Stils, am der Straße nach Salahije, gute Kirchenbauten im Christenviertel. (…) Freilich an verborgenen architektonischen Schönheiten kleineren Stils hat Damaskus keinen Mangel (…). Hinter den rohen Mauern wohnt orientalischer Luxus und weiß ein erfinderischer Sinn für Schönheit und Bequemlichkeit auch kleine Räume trefflich auszunützen und auszustatten. Von der Höhe der Minarete herab kann man manchen schönen Einblick erhaschen in liebliche, heimliche, reinliche Häuschen, in lauschige Höfchen mit schattigen Plätzchen, mit zierlichen Bäumen, mit munterem Spiele plätschender Brunnen, mit luftigen Terrassen (…).

Im Herzen von Damaskus liegt eine große Moschee, die Omajjadenmoschee. Welch merkwürdige Geschichte hat dieser Bau! In ein und demselben Punkt begegnen sich hier Heidentum, Christentum und Islam, alle drei bemüht, einen religiösen Monumentalbau auszuführen. (…) In den ersten christlichen Jahrhunderten stand hier ein prunkvoller heidnischer Tempel, von der alternden, aber immer noch kraftvollen griechisch-römischen Kunst gebaut. Kaiser Arkadius (395-404) wandelte ihn um eine Kirche St. Johannes Baptista; schon frühzeitig scheint dieselbe (…) den Rum beansprucht zu haben, das Haupt des Vorläufers beherbergt zu haben. Die Araber, die schon sehr früh Damaskus von allen Seiten umschwärmten, bemächtigten sich 635 der Stadt und machen der morschen byzantinischen Herrschaft ein Ende. Doch begnügen sie sich mit dem Alleinbesitz der östlichen Stadthälfte und lassen den Christen die westliche. Die Scheidungslinie geht gerade durch die Mitte der Johanneskirche, und so wird nun deren östliche Hälfte Moschee, die westliche bleibt Kirche. Dieses seltsame Simultaneum bleibt bestehen bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts. Da vertreibt der sechste omajjadische Kalif Walid die Christen (…) Ein Neubau wird ausgeführt, den die alten Nachrichten als Weltwunder preisen, 200 m lang, 150m breit, dreischiffig, mit einem Walde von Säulen und Pfeilern aus kostbarem Material, mit einer großen Kuppel von der Gestalt eines Kamelhöckers, mit einer Innenausstattung, deren Pracht an Wahnsinn streift: die marmornen Wände von goldenen Reben überrankt, die Kapitelle sämtlich vergoldet, der Boden buntes Mosaik, der Lichtraum durchschimmert von 600 goldenen Lampen, die an goldenen Ketten von der Decke hängen. Eine Feuersbrunst zerstört 1069 einen Teil der Pracht; Timur steckt 1401 den ganzen Bau in Brand (…). Der heutige Bau ist das Restaurationswerk eines ägyptischen Sultans. Inwieweit er sich an den Grundplan Walids anschließt, ist nicht zu sagen, aber soviel scheint zweifellos, dass sowohl die heutige Moschee wie die Walids von den architektonischen Grundgedanken der alten christlichen Basilika zehrte (…) Ein Parallelogramm von 131 m lichter Länge und 38 m lichter Breite ist durch Säulen und leise geschweifte Arkaden in drei Schiffe geteilt. Das Mittelschiff ist erhöht; über den Arkaden laufen rundbogige Oberlichter; die Dachsparren sind innen sichtbar. Das südliche Seitenschiff ist geschlossen und hat hoch oben eine Reihe buntverglaster großer Rundbogenfenster; das nördliche Seitenschiff ist gegen den Hof hin (…) erschlossen. (…) Die weiten Hallen sind mit Matten und Teppichen belegt und mit unzähligen Kronleuchtern und Lampen geschmückt. Vor dem Transept erhebt sich ein reich dekorierter quadratischer Bau mit Kuppel, von Riesenkerzen umstellt; er birgt nach dem Glauben der Mohammedaner heute noch das Haupt des Täufers (…). Den Hofraum schmücken drei hübsche Kuppelbauten: Die Brunnenkuppel, die Stundenkuppel, deren Springquell einst Zeitmesserdienste getan haben soll, und die Schatzkuppel; letztere ruht auf acht schmucken Säulchen mit schönen Kapitellen, wohl noch Überbleibsel alter Bauten. Drei Minarette erheben sich über der Moschee gleich den Masten eines Riesenschiffes. Das schönste, an der Südwestecke, (…) gewährt einen kleinen Überblick über den Bau, einen Rundblick über die ganze Stadt und einen Einblick in die nach außen so hermetisch abgeschlossenen Wohnhäuser (…).

Wir ziehen aus, um Handel und Wandel, Leben und Treiben der Stadt kennen zu lernen. Vor unserem Hotel Dimitri, dessen wohnliche Anlage und Innenhöfe ans Hotel du Nil in Kairo erinnert, wird eben der Pferdemarkt abgehalten, der seit einiger Zeit aus dem Inneren der Stadt hierher verlegt wurde. (…) Wir überschreiten den in unmittelbarer Nähe des Hotels vorbeirauschenden Barada und kommen auf einem größeren Platz, den das Postgebäude, das Polizeiamt, der Serail, die Ottomanische Bank und das Gefängnis flankieren. (…) Zwischen der Zitadelle und der großen Militärkaserne hindurch kommen wir auf eine breite, nach Süden laufende Strasse, deren Buden und Verkaufstische Lebensmittel aller Art bergen. Auf sie trifft bei der Mosche Sinanije mit schönen Stalaktiten im rechten Winkel die Gerade Strasse, die schönste und breiteste fahrbare Bazarstrasse, mit Holztonnengewölbe gedeckt, der Boden wie überall festgestampfter Lehm. Midhat Pascha ließ ein großes Gewinkel niederbrennen, um für ihre Anlage Platz zu schaffen; die neue Strasse hat aber denselben Lauf wie die in der Apostelgeschichte erwähnte Gerade Strasse, in der das Haus des Judas war, wo Saulus als geblendeter Mann Einkehr nahm und von Ananias getauft wurde. Zu beiden Seiten laufen von dieser kommerziellen Porta die Adern und Äderchen der Bazargassen aus, die Bazare der Kupferschmiede, der Schuhmacher, der Pfeifenmacher, der Tuchbazar, der Kleiderbazar (…). Der Bazar der Seidenstoffe, der Bäcker, der Drechsler, der Früchteverkäufer – alle beinahe so belebt und von Lärm durchgellt wie die Bazare von Kairo (…). Ich trieb mich stundenlang in diesen Gassen umher. (…) In einer Seitengasse unweit des Osttores steigt man auf guter Treppe in zwei gewölbte Räume hinab; im untersten ist ein hübsches Kapellchen mit Altar. Hier soll das Haus des Ananias gestanden haben. Die Überlieferung ist glaubwürdiger als die, die heute noch in einem offenbar späteren Mauertrakt das Fenster zeigen will, durch das Paulus auf der Flucht im Korbe hinabgelassen wurde (…). » Quelle: Wilhelm P. Keppler: Wanderfahrten und Wallfahrten im Orient. Herder & Co. Freiburg/Breisgau 8-10 Auf. 1922. S. 431 – 443.

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